Comicreview: Les Cités obscures / Die geheimnisvollen Städte


in keinem anderem medium ist der anti-moderne impuls so deutlich sichtbar wie momentan in den comicwelten. ganze nicht-moderne epochen werden in abenteuern wiedererweckt; das alte ägypten, rom, die azteken, wikinger, das mittelalter. während dies, auch in comics die man eher "pulp abenteuern" zuordnen würde, auf sehr clevere und durchdachte weise geschieht, fehlt doch eine wirklich *intellektuelle* beschäftigung mit der moderne und der anti-modernen strömung, die sich aufmacht, die moderne von ihrem sockel zu stossen. diese intellektuelle beschäftigung findet man aber bei einer serie, die schon viel früher entstanden ist, in einer zeit als die moderne zwar schon alle möglichkeiten und energie verspielt hatte, dass den meisten aber noch lange nicht bewusst war, so um anfang der achtziger herum. Les Cités obscures, oder der etwas merkwürdige titel "Die geheimnisvollen Städte". in den ersten bänden findet man vor allem einen großen einfluss postmoderner gedanken; so wird im ersten band, der umgeschrieben werde musste weil er scheints zu unverständlich war, das "simulacrum" verflucht und der protagonist versucht dem zeitalter der repräsentation zu entkommen (ob er erfolg hat, wird hier nicht verraten).
andere protagonisten finden sich auf einmal in medialen bildern wieder, die die europäische geschichte ad infinitum wiederholen. dass die erschaffer der comics sich und ihre fangruppe als obskuranten bezeichnen, und sich damit explizit auf die gewichtigen anfänglichen gegner der aufklärung und der moderne beziehen, lässt ahnen, das die moderne kritik etwas mehr tiefe hat als der sonstige "postmoderne" schwachsinn. während sich die ersten bände oft in einer allgemeinen sinnlosigkeit und konfusion auflösen, werden in späteren bändern durchaus lösungsansätze und gedanken zum modernen dilemma formuliert, und echte, interessante nicht-moderne gedanken und konzepte entworfen, was insofern besonders lobenswert ist, da dies ja den meisten menschen, die in die moderne geboren wurden, bis zu ihrem lebensende im normalfall nicht möglich ist. vielleicht kann man diese entwicklung über mehrere jahrzehnte so sehen, dass zeitgleich in der realen welt der ausbruch aus der modernen welt auch immer mehr eine reale möglichkeit wurde, und sich dies im werdegang der comicwelten wiederspiegelt.
fast schon gegensätzlich, aber sinnvoll, ist das andererseits in den comics ein wahrer fetischismus der moderne betrieben wird, und zwar der hochzeit der moderne im 19ten und anfang des 20ten jahrhunderts; es wimmelt nur so von altmodischen wissenschaftlern, politikern, den merkwürdigsten wissenschaftlichen und industriellen erfindungen (nahe am steampunk), die aber immer wieder in konflikt mit anderen konzepten geraten.
einen klaren, eindeutig begehbaren nicht-modernen weg, oder gar eine "lösung", bieten die comics selbstverständlich auch nicht, wobei die frage wäre, ob dies überhaupt möglich oder wünschenswert sei. für meinen geschmack ist die ausgebarbeite anti-moderne ideologie auch eben zuviel mit postmodernen konzepten verzwirbelt, vorallem dem nervigen credo das man die jetzige gesellschaft, die doch zu den altlasten der moderne gehört, doch nicht so einfach überwinden kann. ich will den autoren auch gar nicht unterstellen, dass sie irgendein konkretes ziel haben, ausser sich in gedankenspielen zu ergehen oder eben "post"moderne gedanken einfach mal in comicform zu verarbeiten, anstatt eine aufwendige focaultkritik zu schreiben z.B.
trotzdem sind in diesen büchern einige sehr interessante gedanken enthalten, die, soweit ich das beurteilen, *wirklich* nicht-modern sind, und abgesehen davon, werden einfach interessante geschichten erzählt die sich in sehr interessanten fantasiewelten entfalten.

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