man muss von der "akademischen", und von der "philosophischen" betrachtungsweise stirners wegkommen.
was nun der "akademische standpunkt" oder die etablierte philosophie an gemeinsamen vorurteilen oder konzepten verbindet, würde zu viel beschäftigung verlangen, als es in diesen text passen würde. interessierten würde ich die lektüre von stirners buch selbst empfehlen, da es, wie gesagt, dort behandelt wird, und stirner es mit seinen worten am besten ausdrückt.
wer behauptet, die akademische beschäftigung mit philosophie, und die etablierte philosophie an sich, sei doch "neutral", ein neutraler gesichtspunkt, objektiv, sei gesagt, dass es so etwas wie neutralität und objektivität nicht gibt. der standpunkt eines menschen ist immer subjektiv, egal, wie "akademisch" er vorgeht. wenn es so wäre, warum gibt es dann überhaupt eine akademische beschäftigung mit einem thema? weil sie "anders" ist als eine normale oder sonstige beschäftigung. also gibt es doch einen "unterschied"! und dieser "unterschied" ist eben das problem in der stirnerrezeption.
da stirner das bisherige zusammenspiel der etablierten philosophen, und der ihnen nahestehenden mensche offenlegt, ist dies eine enthüllung, und jene die von der enthüllung betroffen sind, reagieren erbost und versuchen ihrerseits, mit dem "problem stirner", das nun existiert, umzugehen.
wenn ein mensch der eine akademische position oder der etablierten philosophie angehört, etwas über stirner schreibt, ist das so, als wenn ein leiter eines automobilkonzern eine stellungsnahme zu anschuldingen eines menschen gibt, der grade einen skandal in einer seiner fertigungsfabriken offengelegt hat. natürlich könnte der leiter die wahrheit sagen. es wäre aber entgegen seines interesses.
man wird mir natürlich "verallgemeinerung" vorwerfen. natürlich ist nicht jeder philosophiestudent automatisch unfähig, stirner zu verstehen. aber im groben, denke ich, habe ich recht. und es sollte jedem offensichtlich sein, dass es problematisch ist, wenn eine rezeption nur aus einer bestimmten ecke kommt. [1]
nun zu den näherliegenden problemen der stirnerrezeption, die damit zusammenhängen.
in der stirnerrezeption haben sich vorallem zwei extreme herrauskristallisiert. die einen, die stirner kategorisch ablehnen, und sich teilweise auch in drastischer aburteilung, bis zur infragestellung von stirners geisteszustandes ergehen, oder sich überlegen, ob er nur ein großer scherzbold war. hierbei werden meistens stirners thesen thesen der etablierten philosophie gegenübergestellt, und daraus gefolgert, dass stirner diese wohl nicht kannte oder nicht verstanden hat. so wird gesagt: "was, stirner meint die menschen könnten ohne regierung leben? dieser und jener denker haben doch schon längst logisch bewiesen, dass eine regierung notwendig ist.". und ähnliches.
gefährlicher scheint mir aber die fraktion, die stirner scheinbar unterstützt.
stirners werk wird als positiv, sinnvoll, teilweise sogar bahnbrechend angesehen. dann kommt es aber: "stirner meint aber eigentlich etwas ganz anderes.". stirner wird in einer reihe mit konzepten der etablierten philosophie gestellt, wie sozialismus, nihilismus, solipsismus usw. usw. dies wäre die eigentlich aussage von stirner; man müsste die wörter von stirner halt nur auf eine bestimmte weise verstehen, man darf sie nicht wörtlich nehmen, er meint eigentlich etwas ganz anders als er augenscheinlich sagt.
dem muss ich strikt widersprechen.
ich denke stirner meint sehr genau was er sagt, und man sollte seine sätze auch so verstehen, wie sie geschrieben stehen. eine "fremde bedeutung" hineinzudenken halte ich nicht für sinnvoll.
dies wird allerdings dadurch erschwert, dass ich diesen satz auch schon wieder halb zurücknehmen muss, da stirners buch tatsächlich viele stellen und dinge erhält, die eine andere bedeutung haben, als es erst scheint.
stirner selber erwähnt dies unzählige male; so z.B. dass er das wort "egoist" und "egoismus" komplett anders benutzt, als es die gesellschaft für gemeinhin versteht.
dies ist aber nur ein scheinbarer widerspruch. der schlüssel zum verständnis liegt, meiner meinung nach, darin, dass man die worte so versteht wie er sie hinschreibt; aber dies auch wirklich tut. denn viele passagen rufen tatsächlich die reaktion hervor, dass man denkt "so kann er dass doch nicht meinen. das wäre ja viel zu extrem, merkwürdig, unmöglich.". nein, ich denke stirner meint es bierernst. eben grade die "absurden", "unerhörten" passagen seines textes.
stirners buch entspricht *keiner* etablierten philosophie, die ich kenne.
ich denke, erst wenn man die worte so wie stirner sie schreibt ernst nimmt, ist ein tieferes verständnis von stirners texten möglich.
fußnoten:
[1]ich will natürlich nicht behaupten, dass ich alleine über akademischen und etablierten philosophischen positionen stehe. ich will behaupten, das *jeder* mensch über diesen positionen stehen kann. und dies ist die gruppe, die stirner lesen sollte.
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